pressestimmen
Osnabrück, 03.11.2008
Die Facetten der Jugendkultur
hiek Bissendorf.
Mit knalligen Farben aus Sprühdosen, Kunstwerken aus Schrott
und alter Pappe sowie einer energiegeladenen Portion Musik aus
Reggae, Ska und Hip-Hop hat der Bissendorfer Kulturverein Kubiss
den Startschuss für ein großes Vorhaben gegeben.
Hingucker: Die Osnabrücker Künstlergruppe „nartur“ schuf ein großes Graffiti-Gemälde auf Spanplatten. Foto: Elvira Parton
„Wir wollen Jugendliche ansprechen und mit ihnen in Kontakt kommen“, sagte Vorstandsmitglied Angelika Rothe. Kunst sei ein facettenreicher Begriff. Das, was die junge Generation heute darunter verstehe und gern habe, bedürfe für die Älteren einer Neuorientierung. „Ich käme nicht auf die Idee, mit einer Sprühflasche ein Bild zu gestalten“, meinte sie selbst. Doch dass sich das ganz hervorragend machen lässt und auch zu „beeindruckenden Ergebnissen“ führt, konnten sie und andere Zuschauer, darunter auch Bürgermeister Guido Halfter und Jugendpflegerin Nicole Franke, am Samstagabend bei der Wandmalaktion der Osnabrücker Künstlergruppe „nartur“ beobachten: Vier zusammengesetzte Spanplatten dienten auf dem Hof des Schulzentrums als Untergrund. Was sie mithilfe ihrer Graffitifarben darauf gestalten werden, wussten „Momo“, „Kola“, „Peng“ und „Das Wort“ zu Anfang noch nicht. Die vier Kunststudenten sind in der Osnabrücker Kulturszene mittlerweile für ihre spontanen und ausgefallenen Kunstaktionen bekannt.
„Einfach mal drauflos“, meinte der junge Mann, der sich „das Wort“ nennt. Flasche schütteln, Sprühkopf runterdrücken und dabei möglichst geschickt die Hand bewegen. Augen, Mundpartie und Nase waren schnell an die Wand gebracht. „Wir stellen uns gern selbst dar“, erklären die vier jungen Künstler. Köpfe gehören zum Standardrepertoire. Mal fröhlich, dann erstaunt oder auch unwahrscheinlich traurig. „Wie es gerade kommt.“ Es dauerte kaum eine halbe Stunde, da ließen sich fast alle Gemütszustände in den knallbunten Gesichtern und Mustern an der Wand wiederfinden.
„Das bewundere ich“, meinte Angelika Rothe. Dass junge Menschen den Mut hätten, völlig planlos an ihre Kunstwerke heranzugehen. „Und trotzdem kann man darin ganz viel entdecken.“ Müll als Inspiration So übrigens auch im Innenraum der Haupt- und Realschule, wo die „nartur“-Jungs eine Ausstellung aus vorhandenen Werken aufgebaut hatten. Neben Pappbildern, Collagen und anderen Wandinstallationen gehörten auch kleine Müllhaufen auf dem Boden dazu. Aus Abfall gestalten die Jungs nicht nur den Großteil ihrer Kunstwerke. Sie nehmen ihn auch zur Inspiration. Schließlich gehöre er zum Alltag.(.....)
Osnabrück, 29.09.2008 Bilder, die aus dem Rahmen fallen hiek |
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Riesengroß ist diese Collage, die Momo, Peng und Kola (von links) an der Fassade der Kunstschule entrollt haben. Foto: hiek |
Menschen, namenlose Kreaturen, Tiere und Maschinen haben die vier jungen Künstler, die sich selbst Momo, Kola, Peng und das Wort nennen, auf unterschiedlichen Materialien dargestellt. Pappkartons, Folien, Müllbeutel, einfaches Papier, Stoff und auch alte Lackproben aus einer Autofabrik in Frankreich dienten den jungen Künstlern als Arbeitsgrundlage. „Unsere Werke sollen in keinen Bilderrahmen passen“, erklärt Kola. Vielmehr wollten sie aus der „Schiene der herkömmlichen Museumskunst“ herausfallen, den Rahmen sprengen.
Schon der Ausstellungstitel „Straße – Stadt – Kultur“ bringt ihr Gruppenkonzept auf den Punkt. Von der Straße holen sie sich ihr Arbeitsmaterial: Müll, in dem andere Menschen keinen Sinn mehr sehen, geben die vier Kunststudenten ein zweites Leben und eine neue Kultur. Denn das, was sie täglich in der Stadt, im Bus oder im Fernsehen beobachten, stellen sie mithilfe des Mülls nach ihrer Wahrnehmung dar. „Unsere Kunst ist unsere Jugendkultur“, sagt Momo. Das, was der Alltag liefert, bringen sie nach ihrem Geschmack in Form.
In der Musik- und Kunstschule haben die vier Jungs rund 120 Werke auf drei Etagen ausgestellt. Einiges hatten sie schon von Bewerbungen an Kunstakademien in petto. Einige Arbeiten sind extra für die Ausstellung aus Anlass der ersten Jugendkulturtage in Osnabrück entstanden.
Wer sich die Bilder, Collagen und Radierungen eine Zeit anschaut, erkennt sofort den Künstler dahinter: Auch wenn „Nartur“ zusammen ein Bild für sich ergibt, hat jeder der vier jungen Männer seinen eigenen Stil.
Momo arbeitet gern mit blauen Müllsäcken: „Wir leben in einer Überflussgesellschaft“, erklärt der 21-Jährige seine Verwendung: „Schnell in die Tüte und weg damit!“ Kritik und düstere Darstellungen kommen bei allen nicht zu kurz: Die negativen Themen haben es auch Kola angetan: „Wir wollen die reale Welt darstellen“, sagt er ganz locker. Dazu gehörten eben nicht nur lächelnde Gesichter. Auch das sollte „Straße – Stadt – Kultur“ deutlich machen.
Osnabrück, 04.07.2008 Erfrischend respektlos Von Tom Bullmann |
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Wurzeln in der Streetart: Peng, Kola und Momo (von links), die „Nartur Kunstgruppe“. Foto: Uwe Lewandowski |
Ein umfangreiches Programm zwischen den Polen Kunst und Natur bietet das Sommerfest der Skulpturenlandschaft Osnabrück am Samstag auf dem Hof Münsterjohann. Hier eröffnet die „Nartur Kunstgruppe“ eine Installation mit dem Titel „Herr Damit“, die raumgreifend sowohl das Innere des Gebäudes als auch das Außenareal umfasst. Eingebettet wird die Vernissage in ein Kulturprogramm für Kinder und Erwachsene.
Ein grober Verschlag aus alten Brettern und Steinen wirft Fragen auf. Könnte es sein, dass es in dem alten Bauernhaus schon so aussah, bevor sich die jungen Nartur-Künstler auf das Gemäuer stürzten, es vereinnahmten, es zu ihrem Objekt künstlerischer Herausforderung machten? Eine rostige, mit einem Porträt bemalte Sprühdose mitten in dem Bretterverhau lässt ahnen: Der Verschlag ist Teil der Gesamtinstallation. Die macht wahrlich staunen, denn der Gang durch das ehrwürdige, jedoch heruntergekommene Fachwerkhaus wird zu einer Kunst-Entdeckungstour. In dem Bassin, in dem früher Milch gekühlt wurde, schwimmt ein Schrottente. Ein gemauertes Wasserreservoir ist mit grafischen Mustern bemalt. Ein Gartenzwerg glänzt in knallgelber Tagesleuchtfarbe. Ein Regenschirm ist mit Zeitungspapier verkleidet und Türpfosten mit fein gezeichneten, aufgekleisterten Skulpturen verfremdet: Kunst im Verfall und Readymade rustikaler Art.
Momo, Peng und Kola nennen sich die drei jungen Künstler aus Stadt und Region Osnabrück, die sich zur „Nartur Kunstgruppe“ zusammengeschlossen haben. Im ersten Stock des Hofes Münsterjohann wird dem Besucher schnell klar, dass die geradezu respektlos vorgehenden Akteure von der Streetart kommen: In die Bespielung integrierte Graffiti-Bilder zeugen von der Sprühkunst, die sie jahrelang praktizierten. Hier liegt der besondere Reiz der Installation: Vier junge Leute, als Gast holten sie Leimk mit ins Boot, geben dem Thema der Skulpturenlandschaft neue Impulse: „Der fremde Blick“ urbaner Künstler auf die dem Zerfall gewidmete ländliche Idylle. Dazu passt die Miniautobahn im Treppenhaus, die zu einer auf uralte Tapete gemalte Großstadtsilhouette führt: eine augenzwinkernde Auseinandersetzung mit Strukturwandel und Zerstörung von Naturlandschaften.
Mit einem ähnlichen Thema hatten sich Schüler aus Oesede beschäftigt, deren Projekt in der Tenne des Hofes mit Hilfe collagierter Schautafeln dokumentiert wird: „Mensch und Natur“ war das Thema der engagierten Arbeiten, die der Leistungskurs Kunst des Gymnasiums Oesede zusammen mit der Lehrerin Martina Niebrügge sowie Christine Hoffmann und Holger Schwetter von der Skulpturenlandschaft kreierten.
"Stadtblatt Osnabrück, August 2008"